Heute geht es hier nicht um das Textbüro, wie die meisten es kennen, wo Texte für Websites und Broschüren und Keywords entstehen. Heute geht es um eine ganz andere Geschichte. Nämlich um die, wie ich an einem Wettbewerb teilnahm, gewann und man deshalb seit heute – es ist übrigens der Tag der Poesie – auf einer Bank in Saarbrücken sitzen und Evas Gedankenflirren lauschen kann.
Als ich die Ausschreibung zum Lauschrausch letztes Jahr sah, fand ich die Idee schön und leitete sie an befreundete Autor*innen weiter, solche, die die erforderliche literarische Vita mit einreichen können. Die Idee von Lauschrausch ist es, Literatur in den öffentlichen Raum zu bringen. Parkbänke laden mit einem Haiku dazu ein, den angebrachten QR-Code zu scannen und einer Geschichte zu lauschen. Davon sollte es zehn Stück geben, die man in einem Rundgang nach und nach, oder auch einzeln, belauschen kann.
Ich schaute mir die Bänke an. Eine davon kenne ich gut und es passierte Folgendes: Eva entstand. Sie nahm mich mit zu dieser Bank, auf der ich schon oft gesessen habe, erzählte von Ihrem Alltag, von ihren Bedrängnissen, ihren Träumereien. Das Flirren wuchs. Eines Nachts ging sie mir geradezu auf die Nerven. Ich nahm Papier und Stift zu Hilfe, schrieb es raus und konnte endlich schlafen.
So weit, so bekannt. Auf diese Weise mache ich meine Literaturschublade schon sehr lange und immer mal wieder glücklich. Aber Eva drängte sich in den kommenden Tagen immer weiter auf und ich feilte die Geschichte noch ein bisschen. Irgendwann aber beschloss ich, sie einfach einzureichen, abzuschicken und damit jemand anderem die Aufgabe zu übertragen, sie in ihre Schranken zu weisen. Zugunsten anderer Autor:innen, die eine literarische Vita vorzuweisen haben und damit alle Bänke bereits besetzen, wie ich mir das vorstellte.
Aber es kam anders. Letzte Woche saß in einem Studio, um meine Geschichte höchst selbst einzulesen, und seit heute lädt sie mit meinem Haiku tatsächlich auf einer der Bänke zum Zuhören ein. Wow!
Als Texterin gebe ich üblicherweise anderen eine Stimme, damit sie Ihre Geschichte teilen können. Streng genommen gebe ich ja auch beim fiktionalen Schreiben anderen eine Stimme, hier zum Beispiel Eva. Aber es gibt kein Briefing, keine Zielgruppenanalyse und keine klaren Kommunikationsziele. Ich habe nicht anderer Leute Ideen gebündelt und in Worte gefasst, sondern Eva ist tatsächlich meine Figur. Hier stehe ich als Autorin für die ganze Geschichte gerade, eine fiktionale Geschichte, die kein klares Handlungsziel hat, sondern einfach zum Mitschwingen und zur Auseinandersetzung einlädt. Das ist für mich ein ziemliches Abenteuer, eindeutig außerhalb meiner Komfortzone. Aber so ist sie, die Eva, pendelt zwischen den Grenzen ihrer Komfortzone hin und her, wie eine Billardkugel auf dem Grün, und dabei hat sie mich kurzerhand aus meiner rausgeschubst.
Und was macht sie mit dir? Schreib es mir gerne! Ich bin gespannt.
P.S.: Du kennst Eva noch nicht? Wenn du nicht in Saarbrücken bist, um ihrer Geschichte auf der Bank am Kaninchenberg zu lauschen, kannst du sie dir auch auf der Website zum Lauschrausch anhören. Dort findest du auch alle anderen Geschichten. Aber ich empfehle ausdrücklich, wenn es dir möglich ist, den Geschichten auf ihre Bänke zu folgen, denn nur dort hast du die Umgebung, für die sie geschrieben wurden, um dich herum.
Das Foto der Bank stammt von Michaela Reinhardt